Bruny Island – „An island from an island from an island.“
Auf Bruny Island findet man fast den südlichsten Punkt Australiens, möglicherweise den schönsten südlichsten Punkt Australiens.
Um zum kleinen Fährhafen Kettering zu gelangen, muss man erst einmal komplett durch Hobart, der Hauptstadt Tasmaniens hindurch, was für jemanden, der gerade aus den Western Wilds kommt, viel zu viel Verkehr bedeutet. Am Rande der Western Wilds sind wir meiner Passion einen guten regionalen Honig zu kaufen nachgegangen, nachdem wir mehrmals ein handgemaltes Ankündigungsschild am Straßenrand gesehen hatten. Es ging auf eine kleine Farm, „Ravens Nest“, die von „highly trained chickens“ bewacht wurde und einem sehr sympathischen Besitzer, mit dem wir rasch ins Gespräch kamen. Es war Paul aus Castrop-Rauxel, der vor Jahrzehnten nach Australien und dann nach Tasmanien gekommen war. Die zwei Sorten Honig und das von Paul selbst gebackene Sauerteigbrot schmeckten vorzüglich.
Auf der Fahrt nach Süden kamen wir sehr häufig an großen Seen, zum Teil gestaut, vorbei, die zur einhundert Prozent erneuerbaren Energieversorgung von Tasmanien beitragen. Zusätzlich zur Hauptenergiequelle Wasserkraft wird individuell meistens Sonnenenergie und seltener Windenergie aus Kleinstanlagen genutzt. Dieselgeneratoren sind fast komplett ausgemustert worden.
Ab Kettering geht es dann gemütlich mit der Sealink Bruny Island und einer zwanzig Minuten dauernden Fahrt zum Anleger auf Bruny Island. Entgegen der Warnungen auf WikiCamps war es überhaupt kein Problem ein Ticket zu bekommen. Auch hier war es ein Vorteil mit einem grossen Fahrzeug zu kommen, wir konnten wieder schnell auf die Fähre. Die meisten Besucher von Bruny Island scheinen einem ähnlichen Programm zu folgen: Wiskey Tasting, Oyster Tasting, Lookout über den Isthmus – die Landenge, die die Nord- mit der Südinsel verbindet, und Leuchtturm ganz im Süden. Das führt zu Fahrten im Konvoi. Und heisst auch, wenn man den Mengen (maximal eine Fährladung von 30 Autos), die sich da bewegen entgehen möchte, muss man einmal kurz zum Strand abbiegen und alle vorbei lassen.
Dann kann man die Insel fast alleine erkunden, bis der nächste Fährkonvoi kommt. Einen phantastischen Blick hat man in der Tat vom Lookout über den schmalen Landstreifen, der den Norden und den Süden der Insel voneinander trennt. Unser erster Übernachtungsstopp führte uns zur Adventure Bay, ein winzig kleiner Ort an einer Sackgasse gelegen mit der einzigen Tankstelle der Insel. Von hier aus fahren Ausflugsboote um die Südspitze der Insel, wo man Robben beobachten kann. Warum wir das leider nicht gemacht haben, erzählen wir weiter unten.
Einen zweiten Übernachtungsstopp fanden wir bei Phil von „Camping at Bruny Island“, der ein Waldgelände auf einer Landzunge unmittelbar an der Grenze zum South Bruny Nationalpark mit zwei (!) großartigen Stränden sein eigen nennt. Unser Blick schweifte über eine völlig unverbaute Bucht, die Cloudy Bay, und wir konnten den Wechsel von Ebbe zur Flut an den mit wilden Austern besetzten Felsen in dem flussartig schmalen Zugang zur Cloudy Bay Lagoon beobachten. Hier gibt es weder Mobilempfang, geschweige denn Internet, Phil sagte dazu „We are at the end of Australia“. Ein Grund unser Starlink einmal zu testen. In der Tat, es funktionierte sogar im Wald. Bevor wir uns jedoch in die hier doch etwas kühlen Fluten stürzten sind wir noch unsere erste echte Gravel Road quer über den Berg durch dichten Wald gefahren.
Ein im Wald versunkenes Sägewerk mit Dampfbetrieb und Lokomotive für den Antrieb einer Baumseilbahn wurde von uns in seinem Dornröschenschlaf besucht und brachte Noah über die guten Erklärungstafeln einen Eindruck wie mühsam das Leben als Baumfäller war. Unseren (vorläufig, es gibt ja noch Südamerika) südlichsten Punkt erreichten wir mit dem Bruny Island Lighthouse. Dahinter gibt es nur noch Meer und die Antarktis. Auch hier waren eindrucksvolle Beschreibungen über das einsame Leben des ersten Leuchtturmwärters William Henry Chaulk Baudinet zu lesen. Er arbeitete mit einfachster Technik, alle zwei Stunden musste das Licht über Nacht mit schwer flüchtigem Gas aus Kerosin dadurch gefüllt werden, dass der Gasdruck mit einer Handpumpe im Lampenbehälter erhöht werden musste. So ganz einsam war es letztendlich auch nicht. Er ist mit seiner Frau aus Fremantle in Westaustralien hierher gezogen und hatte mit der Zeit eine Familie mit 12 Kindern. Möglicherweise haben die ihren Vater überwiegend schlafend gesehen, aber immerhin sind zwei Söhne an anderen wichtigen Seefahrerpunkten leitende Leuchtturmwärter geworden.
Warum haben wir die Bootstour um Bruny Island nicht gemacht?
Jule und ich sind in unserem Leben noch nicht viel LKW gefahren und sehen inzwischen den Truck nicht nur als Beförderungsmittel, sondern auch als unser Zuhause an. Ein anderes haben wir für die 7 Monate Australien ja definitv auch nicht! Daher reagieren wir natürlich auf Zeichen, die uns nicht bekannt sind oder nicht richtig vorkommen mit neugierigem und sehr fürsorglichem Interesse.
In Huskisson haben wir eine Truck-Reifenwerkstatt besucht, weil das Steuerrad zwischen 80 und 85 km/h ziemlich wackelt. Die Reifen wurden ausgewuchtet und neu eingestellt, was die Symptome etwas verbesserte. Inzwischen haben wir langjährige Truckfahrer getroffen, die uns beruhigt und geraten haben einfach die betroffene Geschwindigkeit zu meiden. Auf dem Weg zu Phil ging die Lampe für den niedrigen Ölstand an, was dazu führte, dass wir mit Phil das Fahrerhaus kippen mussten um Öl nachzufüllen. Für alle Laien, Motor und Ölbehälter dafür befinden sich mittig unter den Sitzen. Eine Sache, die Jule zum Glück noch vor der Abreise in der Fahrschule in Deutschland gelernt hatte. Eigentlich spannend, aber kein Problem, wäre anschließend die Lampe ausgegangen. Das im Handbuch des Wagens angegebene „Reset“-Manöver – Zündung an, Motor aus, Gas durchdrücken für 10sek und dann mindestens 6mal mit der Bremse pumpen – mutet an wie eine Erzählung aus dem Märchenbuch und funktionierte auch nicht. Also mussten wir, da das Wochenende nahte, rascher als geplant nach Hobart zurück um den Truck mit dem entsprechenden Programm auslesen zu lassen. Aber immerhin gab es die Rückmeldung: alles richtig gemacht, alles gut!
Unsere Hausaufgaben, was die Sichtung von Robben angeht, müssen wir also noch nachholen, aber die Great Ocean Road liegt momentan vor uns und damit viele neue Abenteuer!
Euer