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Wenn wir einen Reiseführer schreiben würden, wäre damit der Buchdeckel beschrieben. Nach unserer Erlebnisreichen Nacht auf dem Highway tankten wir in Norseman wieder auf. Dies sowohl real gesehen, es war die erste Einkaufsmöglichkeit in Westaustralien für Obst und Gemüse, als auch psychisch gesehen, 1500km in kurzer Zeit und eine Panne schlauchen doch ziemlich. Noah machte den Spielplatz unsicher, wir unterhielten uns gut mit anderen Reisenden und konnten uns nochmal bei dem Engel der letzten Nacht bedanken, den wir nochmal in der Stadt sahen und der sich fürsorglich nach unserem Schlaf in der letzten Nacht erkundigte. 

Traumhafte Strände und me(e)hr

Unsere nächsten Ziele waren Strände im Bereich der Nationalparks Cape Arid und Cape Le Grande östlich von Esperance. Viele Strände konnten mit dem 4WD befahren werden. Wir machten uns aber zu Fuß auf, kletterten am Ende der Strände über die Felsen und fanden Buchten in denen wir in der Tat die einzigen waren. So an der Wharton Bay und auch an der Lucky Bay. Der nach Osten schauende „Juno Beach“ (In Ermangelung eines Namen für diese Bucht haben wir kurzerhand den Strand nach uns benannt. Nun steht er so zumindest in WikiCamps, einem kollaborativen Reiseführer für Australien vermerkt.) jenseits der Wharton Bay war nur durch eine Düne vom nach Westen ausgerichteten Strand getrennt.

Hier, wie auch ganz am Ende der Lucky Bay weit hinter der Gedenkmedaille für Kapitän Flinders gab es klares, türkises Wasser und weißen Sand ohne Menschen in dem ansonsten etwas überlaufenen Gebiet. Wir waren ein paar Tage im Paradies. Der Zugang zum Paradies sollte allerdings gut geplant werden, da es nur wenige Camps gibt, die Wochen vorher ausgebucht sind. 

Auf den Fotos von Lucky Bay sind immer niedliche Kängurus am Strand zu sehen. Wir haben dort in der Tat auch eine Känguru Mutter mit ihrem Jungen beobachten können und waren etwas überrascht über den aktuellen Speiseplan. Beide hielten ein Teil eines Rabenvogels in den Pfoten und knabberten genüsslich darauf herum. Ade du heiles Bild vom süßen Känguru. Bisher hatten wir geglaubt Kängurus seien Vegetarier.

Wie es sich nach einer ordentlichen Reifenpanne gehört, haben wir dann einen halben Tag in Esperance verbracht – im sehr professionellen Tyreshop von „Tyres and more“. Wir haben den Reifen ersetzen und alle anderen auswuchten und durchtauschen lassen. Um das Wichtigste nicht zu vergessen: die Endstrecke des Anziehens der Radmuttern wurde mit Hand erledigt und nicht mit einer Airpressure-Rattlegun (Luftdruck-Drehmomentschlüssel – oh mein Gott, es gibt Vokabular, dass wir durch den Besitz des Trucks lernen, das glaubt man kaum), sodass wir eine mögliche nächste Panne alleine regeln können. Toi, toi, toi oder travellers-fingers-cross…

Die Strände um Esperance sind sicher die bekanntesten und beliebtesten, aber das klare türkise Wasser findet man an der gesamten Südküste am Southern Ocean und, wie wir später beschreiben werden, auch an der Westküste am Indian Ocean. Ganz besonders ist der Strand im William-Bay-Nationalpark, hier stehen einzelne mächtige Felsen im Wasser, die Elefant Rocks und unmittelbar daneben befindet sich ein echter Schnorchelspot am Greens Pool. Die Elefant Rocks sind riesige Granitfelsen, die oben gerundet aussehen, wie eine Elefantenherde, die sich hinaus in die See bewegt. Der weiße Strand in Hamelin Bay, jetzt schon am Indischen Ozean begeistert nicht nur mit seinem klaren Wasser, er ist auch Heimat großer Stachelrochen, die neugierig um die Beine der ebenfalls neugierigen Touristen schwimmen.

Drei Küstenorte sind uns nicht wegen der Strände sondern anderer meeresbezogener Besonderheiten in Erinnerung geblieben. Prevelly, Busselton und Bunburry. 

Prevelly ist regelmäßig Gastgeber für die internationale Surfgemeinde, die auf Big Waves ihre Wettbewerbe ausrichtet. Die besonders hohen Wellen kommen hier durch das vorgelagerte Riff zustande. Auch ohne Wettbewerb trifft man hier jeden, der sich surftechnisch zu den absoluten Cracks zählt. Auch ohne diese Fertigkeit macht es Spaß hier zu sein und sich unter die bunte Zuschauerschar zu mischen.

In Busselton gibt es einen 1,8 km langen Jetty, den man sich entweder erlaufen oder mit einem kleinen Elektrozug entlang fahren kann. Am Ende steht ein Meeresobservatorium, in dem man über 4 Etagen in dem kreisrunden Gebäude 9 Meter hinab zum Meeresgrund läuft und über große Fenster das hier entstandene künstliche Riff und seine Bewohner beobachten kann. Eigentlich gibt es in den sehr flachen Wassern in der Bucht vor Busselton nicht viele Meeresbewohner, da die Bucht hauptsächlich aus Sand besteht. Als aber der Jetty gebaut und für die Schifffahrt immer weiter ins Meer hinaus erweitert wurde (selbst bei 1,8 km erreicht der Meeresgrund nur eine Tiefe von 10 Metern), siedelten sich an den Stützen des Jettys Korallen, Meerespflanzen und damit dann auch die dazugehörigen Bewohner an. Hier ist also ein vom Menschen veranlasstes künstliches Riff gewachsen.

Bunbury verfügt über ein Delphin Discovery Center, das einen Besuch lohnt. Jeden morgen besuchen Delphine die Bucht und können anhand ihrer unterschiedlich geformten Rückenflossen identifiziert werden. So steht auf einer großen Tafel, welche Delphine gerade das Discovery Center besucht haben. Im Haus selber gibt es viele Informationen und Aquarien mit Tieren der unterschiedlichen Gewässer- und Meersbereiche: Süßwasser, Mangrove, Riff, Tiefsee. Außerdem kann man bei der Fütterung der Meeresschildkröten, die hier in der Auffangstation gepflegt werden, und der Oktopoden zusehen. 

Berge mit Drauf- und Aussicht

Zuvor waren wir allerdings dort, wo wir uns mit Wehmut vor fünf Jahren von Westaustralien verabschieden mussten, bevor wir zur letzten Station nach Perth aufbrachen, in der Stirling Range. Wir erlebten in diesem Jahr an gleichem Ort im Stirling Range Retreat von der Sunset Lane mit Blick auf die Berge einen fantastischen Sonnenuntergang, wie wir ihn auch damals genießen und in Erinnerung behalten konnten. 

An dieser Stelle möchten wir einmal kurz auf die letzten fünf Jahre zurück blicken. Es waren schöne, spannende, aber auch sehr schwierige Jahre voller Veränderung und Neubeginn. Wir möchten uns bei allen lieben Menschen bedanken, die uns in dieser Zeit begleitet, geholfen und unterstützt haben.

Jetzt knüpften wir an unsere letzte Reise an und bestiegen am nächsten Morgen den mit über 1099 Metern höchsten Berg Westaustraliens, den Bluff Knoll. Eine 360 Grad Aussicht, nach Süden bis zum Ozean, und die Gewissheit es diesmal nach hier oben geschafft zu haben, belohnte uns. Damals war ein Aufstieg bei Wolken und Regenwetter zu gefährlich, wie uns auch diesmal die Schilder auf dem Weg und die Berglandschaft bestätigten. 

Dichte Wälder mit etwas Adrenalin 

Im Südwesten von WA liegen auch die Southern Forests, ausgedehnte Wälder aus Karri-Eukalyptusbäumen, die Jahrhunderte alt sind und ausschließlich hier vorkommen. Sie können bis zu 85 Meter hoch werden und einem Durchmesser von bis zu 3 m erreichen. Damit gehören sie mit zu den größten Bäumen der Welt. Zu den besonders hohen Bäumen kann man im Warren- und Whalepole-Nornalup-Nationalpark hinfahren und sie von Boardwalks und einem Treetop Walk durch die Wipfel aus genießen. 

Einige dieser Karri Trees sind heute regelrechte Berühmtheiten. Entweder weil sie besonders hoch und stabil sind und früher als Feuersichtungsplattformen genutzt wurden um Waldbränden möglichst schnell zu begegnen oder weil sie besonders alt sind und schon vielen Widrigkeiten getrotzt haben. 

Heute sind die Feueraussichtsbäume Touristenattraktionen und Mutproben. Entgegen aller Vorsichtsmaßnahmen, die in Australien sonst so an den Tag gelegt werden, darf man völlig ungesichert diese Bäume besteigen. Das sieht folgendermaßen aus: In den Baumstamm sind ca. 60 cm lange Eisenstangen geschlagen, die wie eine Leiter spiralförmig um den Baum hinauf führen. Beim Dave Evans – Bicentenniel -Tree bei Pemberton, dem höchsten der noch existierenden Aussichtsbäume führen 165 Eisenstangen bis nach oben und dann weitere 4 Leitern über Plattformen ganz hinauf zur Aussichtsplattform. Das ganz ohne Anseilen, Geländer oder Sicherungsnetz. Eine gute Kondition und Schwindelfreiheit sind hier essentiell. Spannend ist das Erklimmen, da man durch alle Schichten des Waldes klettert und am Ende sogar über den Wipfeln der Karri Trees des Warren Nationalpark steht. Die 360 Grad Aussicht von der obersten Plattform auf den Wald belohnt die Mutigen für den adrenalinreichen Aufstieg. Nach erfolgreichem Abstieg kann man sich dann, auf dicken Stämmen am Boden sitzend, mit anderen Kletterern darüber austauschen, ob es die 165 Stufen rauf oder runter schwieriger war. Zu beobachten lohnt sich auch, wer am Boden noch „große Sprüche klopft“ und beim Erklimmen auf einmal „ganz klein“ wird oder sogar abbrechen muss, weil Höhe und ungesicherte Aussicht ihren Tribut fordern. 

Da die Abstände der Eisenstangen doch recht groß sind, sind nur Ulli und ich abwechselnd geklettert. Das hat schon genug Mut gekostet. Wir haben es uns in diesem Fall nicht zugetraut Noah mit nach oben zu nehmen. 

Eine Übernachtung unter den hohen Bäumen im State Forest ist ebenfalls ein besonderes Erlebnis. Der Big Brook Campground liegt über Waldwege erreichbar mitten drin und bot die einzigartige Gelegenheit eine ganze Gruppe von Kokaburras bei ihrem Abendgesang oder besser -diskussion zu belauschen. Nachdem sie verstummt waren, war es im Wald absolut ruhig, bis uns am nächsten Morgen der Flötenvogel mit seinem Gesang weckte.

Big Brook Arboretum: Kokaburra“diskussion“
Big Brook Arboretum: Flötenvogel

Der Tree Top Walk im treffend bezeichneten Valley of the Giants im Whalepole-Nornalup-Nationalpark war die ungefährlichere Variante zu Dritt den Wald mit seinen Riesenbäumen erforschen. In diesem Nationalpark gibt es zum Anderen Karri Trees, die sehr alt sind und schon so einigen Widrigkeiten in der Vergangenheit getrotzt haben, so der Giant Tingle Tree im Whalepole-Nornalup-Nationalpark. Tingle Trees sind die größten Eukalypthusbäume der Welt. Der Giant Tingle Tree ist ein großer, alter Tingle-Baum, der über viele Jahre durch Feuer ausgehöhlt wurde. Faszinierend ist, wie überlebensfähig diese Bäume sind. Am Boden steht außer der äußersten Rindenschicht nichts mehr von diesem Baum, seit Jahrzehnten konnte man hindurchreiten, – fahren und laufen. Das war tatsächlich fast schon ein Volkssport herauszufinden, welches Auto in den Tingle-Tree hineinpasst. Ein Buch sammelte Fotographien aus der ganzen Welt und beschreibt Automarke und Modell, des im Baum geparkten Autos. Heute darf der Giant-Tingel-Tree glücklicherweise nur noch zu Fuß erkundet werden. 

Gutes Essen und guter Wein

Im Valley of the Giants fanden wir dann noch unerwartet einen kulinarischen Höhepunkt. Wir hatten uns auf einer Farm zur Übernachtung eingebucht, die Oliven und Wein anbaut. Als wir bei Valley of the Giants Wine and Olives ankamen, begrüßte uns die Familie auf schweizer-deutsch und lud uns zur Wein-, Oliven- und Ölverkostung ein. Es war so lecker, das wir unsere Vorräte noch etwas aufstockten. Spannend war insbesondere auch die Geschichte, wie auf der Farm alles begann. Die ersten Reben und Olivenbäume hat die Familie vor rund 30 Jahren gepflanzt. Die Gegend im Südwesten um Margaret River herum bietet ein optimales Klima dazu, was dazu führte, dass sich viel Winzer hier niedergelassen haben.

Das Gefühl (endlich) in WA, Western Australia zu sein, ist ein wenig wie nach Hause kommen. Perth und die auch am Swan River liegende Stadt Fremantle sind unsere nächsten Ziele.

Allzeit gute Reise!