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Als Europäer wird man ja mittlerweile ganz schön gekuschelt, wenn es darum geht sich in Museen mit unserer politisch-kriegerischen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Von uns als Besucher wird ganz schön viel erwartet, da sehr stark auf unsere Vorstellungskraft gesetzt wird. Nicht so in den beiden Museen in Teheran, die wir während der Pfingstwoche besuchten: das Holy Defense und das Ebrat Museum.

Islamic Revolution and Holy Defense Museum – jüngste außenpolitische Geschichte Irans

Der gigantische Komplex des Islamic Revolution and Holy Defense Museums mit Innen- und weitläufigen Außenanlagen widmet sich der Darstellung des Iran-Irak-Krieges vom 22.September 1980 bis zum 20. August 1988. Besonders ausführlich sind die Kämpfe auf iranischem Boden zwischen 1980 und 1984 dargestellt. 

Nachdem man eine Zeitleiste der Islamischen Revolution 1979 durchschritten hat – ganz sinnbildlich den Berg hinauf, schließen sich direkt die Hallen zum Beginn des Iran-Irak-Krieges an. Mehrere Räume fand ich in ihrer Darstellung sehr bewegend: 

Auf einer ca. 20 Meter langen Wand wird eine friedliche ländliche Szene projiziert, plötzlich fliegen  Granaten und alles liegt in Schutt und Asche. Daraufhin durchläuft man einen zerbombten Straßenzug. Überall sind Einschusslöcher, Wände und Fenster kaputt und es liegen Bruchstücke der persönlichen Gegenstände der ehemaligen Bewohner dazwischen. Schauerlich, in Gedanken rekonstruiert man diese verlorenen Leben.

In einem Luftangriffsimulator erfährt man einen Bombenangriff aus nächster Nähe. Man blickt auf eine Strassenszene, in der die Leute ihrem täglichen Geschäft nachgehen und Kinder spielen. Plötzlich ein Luftangriff, die Flugzeuge überfliegen meinen Kopf der Boden bebt und alles liegt unter Staub. Nie möchte ich so etwas in Realität erleben. Danke 73 Jahren Frieden in Europa!

Im Museum ist es auch möglich eine nachgebildete Bunkeranlage – inklusive klimatischer Verhältnisse zu durchlaufen. Bei der Darstellung der Waffentechnik überquert man ein Wegstück aus Plexiglas, darunter sind unterschiedlichste Minen ausgestellt. Jeder Schritt kostet hier eine Überwindung.

Eine Halle war den Märtyrern gewidmet, unzählige Erkennungsmarken der gefallenen Soldaten hängen in rotes Licht getaucht von der Decke.

Zuletzt ist ein Raum auch einem Kriegsberichterstatter gewidmet, der die meisten Berichte über die Kampfhandlungen verfasst hat.

Fazit: Dieses Museum ist didaktisch sehr gut gemacht und technisch auf dem neuesten Stand. Ein Besuch mit Kindern ist möglich, allerdings sollte man bedenken, dass es die Audio Guides nur in Englischer Sprache gibt. Außerdem ist es sinnvoll den Luftangriffsimulator nur ohne Kinder oder erst mit Jugendlichen zu betreten. 

Noah hat während unseres Besuchs seine Tierbücher betrachtet und ein Schläfchen im Wagen gehalten – noch geht das bei uns so einfach.

Ebrat Museum – innenpolitische Geschichte Irans

War das Holy Defense Museum schon sehr eindrücklich, so setzt das Ebrat noch einen oben drauf. Dargestellt wird in diesem ehemaligen SAVAK (Geheimdienst)-Gefängnis der Shahzeit, wie die politischen Gefangenen wegen ihrer Opposition zur Regierung oder Reformen der Regierung eingesperrt, gefoltert und so zu Geständnissen gebracht wurden. 

Nach dem Betreten des Gefängnisgeländes geht man an einer Mauer vorbei, an der jeder Klinkerstein einen Name eines ehemaligen politischen Häftlings des Ebrat trägt. Während man zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht die Tragweite dieser Galerie erfasst, betritt man das eigentliche Gefängnisgebäude und vollzieht von Raum zu Raum den Weg eines Häftlings nach: Registrierung, Ablegen der persönlichen Kleidung und Wertsachen, Anziehen von Häftlingskleidung, Zellentrakte getrennt nach Männer, Frauen, hohe politische Gefangene wie Ali Chamenei, der jetzige Religionsführer, Räume für Verhöre und Folter sowie Waschräume. 

Kurze Spielfilmsequenzen mit englischen Untertiteln veranschaulichen die unmenschlichen Umgangsweisen der Wärter mit den Gefangenen. Aber auch sonst, muss man sich aus den Texten nicht viel selber erschließen, mit Wachsfiguren sind die zum Teil sehr grauseligen Folterszenen nachgestellt. 

Spätestens jetzt wünscht man sich in den schattigen Garten des Golestan Palast um die Ecke. Mit Noah auf dem Arm habe ich eine gute Ausrede der Führung, in die wir auf einmal geraten sind zeitweise zu entfliehen. Einfach abkürzen geht nicht – da der Führer uns als ausländische Gäste identifiziert hat und uns versucht auf alle Details extra aufmerksam zu machen, damit wir auch alles gut verstehen.

Am Ende bleibt ein mulmiges Gefühl und die Versicherung des Guides, dass es so etwas ja heute zum Glück nicht mehr gibt. Und dann stehen wir wieder vor der Wand mit den tausend Namen und haben genauso tausend Fragen im Kopf.

Fazit: Dieses Museum sollte definitiv eine FSK 16-Freigabe haben! Mit sehr kleinen Kindern, kann man dieses Museum noch besuchen, dann empfehle ich aber sich bei einigen Räumen mit dem Besichtigen abzuwechseln, was sehr gut geht, da man bei den gruseligsten Räumen auch den Umweg über die Galerie zum Gefängnishof nehmen kann. 

Erholung für die Seele

So viel Grausamkeit müssen wir erst einmal verarbeiten – da reicht ein Nachmittag im Schatten des Golestan Palastes mit seinen schön anzusehenden bunten Fliesenkeramikfasaden zwar nicht aus, aber Noah genießt es endlich wieder frei herumspringen zu dürfen. Er betrachtet die bunten Bilder auf den Fliesen an der Wand, wird von den Iranern gerne mit auf jedes Selfie genommen und tobt barfuß über die Wiesen und quatscht alle in unserer Nähe an, während wir im Schatten ein Päusschen machen.

Allzeit gute Reise!

Eure